Reisebericht Gran Canaria

Kontinent im Kleinen


Von Horst Blume

Tatsächlich, der von der Tourismusindustrie vielbemühte Ausspruch vom "Kontinent im Kleinen" ist nicht falsch gewählt. Vor allen Dingen ist Gran Canaria abwechslungsreich. Während der gemeine Urlauber zu Hunderttausenden die erbarmungswürdig zugebaute Südküste bevölkert und vielleicht gerade mal für einen Tag in die Berge des Zentrums fährt, gibt es für vielseitig Interessierte noch ganz andere Regionen zu entdecken.

Die Kontraste auf Gran Canaria

Der unterschätzte Norden

Fangen wir mit dem etwas kühleren, windigen Norden an. In dieser aufregenden, teilweise recht grünen Berglandschaft befinden sich durchaus viele Dörfer und Siedlungen, wo auch intensiv Landwirtschaft betrieben wird. PanoramastraßeTouristen sind hier eher selten, wenn man von dem dichtbesiedelten Ballungsgebiet rund um Las Palmas einmal absieht.

Im äussersten Nordwesten befindet sich das sehr urspünglich wirkende Agaete, ein grosses Dorf mit etwa 5000 Einwohnern am Beginn eines langgezogenen, grünen Tals. Dies alles wird eingerahmt von bis zu 1.400 Meter hohen Bergen. Von hier aus kann man hervorragend kleinräumige Wanderungen beginnen. Aber auch als Ausgangspunkt für verschiedene Autotouren ist der Ort bestens geeignet. StauseeAgaete liegt nur wenige Kilometer von der Küste entfernt, wo ab Puerto de las Nieves der Güterumschlag und Fährverkehr nach Teneriffa abgewickelt wird. Viele Privatquartiere gibt es in Agaete nicht. Günstig und schön gelegen sind die Apartements "El Angosto" (www.elangosto.eu).

Von hier aus startet ebenfalls Gran Canarias wohl schönste Panoramaroute entlang der Küste nach Süden zum Städtchen San Nicolas. Hier befinden sich riesige Tomatenfelder, die nicht so interessant sind. Sehr bemerkenswert ist der nur auf sehr schmalen Strassen führende  Rückweg über Acusa an dem Stausee Parralillo vorbei -- mitten durch eine atemberaubende Bergwelt. Für diese Tour benötigt man einen ganzen Tag, aber es lohnt sich wirklich.

Karneval

Wer Anfang Februar hier ist, erlebt die zahllosen Karnevalaktivitäten mit. Der Besuch im Kulturzentrum an derSchaufensterpuppe mit Karnevalskostüm Hauptstrasse, in dem die prunkvollen Karnevalkostüme gezeigt werden, sind ein absolutes Muss!

Im Innenhof mit den typischen Holzbalkonen befinden sich noch Bastelräume, wo all die schönen Kostbarkeiten in mühevoller Kleinarbeit hergestellt werden. Ausstaffiertes kleines Mädchen zum Karneval auf Gran CanariaAuf der großen Tribüne direkt vor der Kirche findet abends die mit viel Glamour und Musik perfekt inszenierte Präsentation der Kostüme statt. Bereits vierjährige Mädchen und natürlich auch Ältere tanzen in verschiedenen Gruppen unter den wohlgefälligen Blicken vieler Hundert Dorfbewohner als Elfen, Piratinnen oder Gladiatorinnen; überschwänglich vorgestellt durch einen Showmaster. Kleine, aufwändig kostümierte Mädchen, die gerade erst das Laufen gelernt haben, tapsen bestückt mit riesigen Federboas etwas schüchtern und unbeholfen auf dem Laufsteg herum. Das Publikum ist entzückt, die Eltern lächeln seelig und sind stolz auf ihre Sprösslinge.

Karnevalstimmung und kostümierte Kinder

Es wird langsam dunkel, Lichterketten werden eingeschaltet, die beiden riesigen Holzpapageienfiguren angestrahlt. Karnevalstimmung bei NachtAuf der Dorfstrasse, in den Kneipen und im Dorfladen wird ausgiebig weitergefeiert. - An der mit Betonkästen zugebauten Südküste erlebt man so etwas jedenfalls nicht!

Wer ein Auto hat, sollte die beiden Städtchen Moya und Firgas im Norden ebenfalls besuchen. In dieser Gegend kann man hinter fast jeder Kurve wunderschöne Ausblicke auf die gebirgige Küstenlandschaft geniessen. Etwas weiter südlich befindet sich die historisch interessante Stadt Teror. Eine alte Kirche, der Bischhofspalast und die Innenstadt mit reichverzierten Balkonhäusern ziehen etliche Besuchergruppen an. Sehenswert ist der Plaza de Bolivar, benannt nach dem südamerikanischen Freiheitskämpfer, dessen Frau aus Teror kam.

Anstrengend und interessant: Las Palmas

Die im Nordosten gelegene Inselhauptstadt Las Palmas ist ein Kapitel für sich. Wer hier mit einem Auto hinfährt, muss starke Nerven haben. Am besten, man parkt am Auditorium Alfredo Krause (Veranstaltungsort für Musikveranstaltungen von Beethoven-Werken bis Taburiente aus La Palma!) neben dem Einkaufszentrum Las Arenas.

Las Palmas

Einen Parkplatz findet man woanders so schnell nicht oder man muss bis zu fünf Kilometer lange Fussmärsche durch Strassenschluchten in Kauf nehmen. Der Sandstrand im Süden der InselDie Großstadt ist extrem weiträumig.

Der kilometerlange Sandstrand befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Hochhäusern im Norden. Die sehenswerte Altstadt mit der Kathedrale, dem alten Rathaus und den vielen Gassen liegt einige Kilometer weiter südlich. Hier befindet sich auch das Museo Canario, in dem archäologische Fundstücke und originalgetreue Nachbildungen aus der Zeit der Altkanarier (Guanchen) zu sehen sind.

Wer sich auch nur einen halbwegs intensiven Eindruck von Las Palmas verschaffen will, schafft dies auf gar keinen Fall an nur einem Tag! Wer nur Einen zur Verfügung hat, sollte sich die Altstadt ansehen und die schöne Aussicht von der Kathedrale sowie die vielen restaurierten Häuser nicht verpassen. Im Norden hat man den besten Ausblick von dem 23. Stockwerk des Turmhotels AC. Von hier aus überblickt man nicht nur die gesamte Halbinsel, sondern auch einen der grössten Kontainerhäfen der Welt. Denn die Schiffe, die für den Suezkanal in Ägypten zu groß sind, machen hier einen Zwischenstopp auf ihrem Weg rund um Afrika.

Zwiespältig: Der Süden

Fährt man von Las Palmas aus nach Süden, kommt man an der zweitgrössten Stadt Gran Canarias, Telde, vorbei. Die Altstadt mit einigen schönen Gärten und Plätzen sollte man sich ansehen. Hier befindet sich ein kunstvoll angelegter Springbrunnen mit einem "weinenden" Guanchen, der seiner verlorenen Freiheit nachtrauert. Telde war eine der größten historischen Siedlungsstätten der Guanchen, bevor sie von den Spaniern im 14. Jahrhundert besiegt wurden.

Vorbei am Flughafengelände kommt man nach etlichen Kilometern zur Südküste, wo sich hunderttausende sonnenhungriger Urlauber drängeln. Während sich bei San Austin noch einige halbwegs abseits gelegene Surfstationen befinden, attackiert in Playa del Ingles die altbekannte Ballermann-Heimsuchung mit Kirmes, Kneipen und Kommerz brutal unsere ästhetischen Sinne. Tourismusindustrie auf dem alleruntersten Niveau. Etwas weiter in Richtung Maspalomas findet dann ein fliessender Übergang zum Luxustourismus mit sündhaft teuren Edelhotels statt. Das ist ästhetisch manchmal sogar noch erträglich, aber für einen Normalbürger nicht mehr zu bezahlen. Hier liegen die vielzitierten Wüstendünen mit angeschlossenem Kamelausritt und daneben die Mischwasserlagune -- ein ausgewiesenes Naturschutzgebiet. An der feudal hergerichteten Strandpromenade pilgern bei gutem Wetter tagein und tagaus tausende Touristen zum Leuchturm, zu den Dünen, den Geschäften, den Gaststätten -- und bekommen vom wirklichen Leben auf Gran Canaria rein gar nichts mit.

Gut 10 Kilometer weiter finden wir auf unserem Weg in Richtung Westen zur Abwechslung einmal eine ganz „normale“ Kleinstadt mit etwas Industrie, einem Fischereihafen und kaum Tourismus. Den Weg am Meer entlang säumen einige Bänke und Bäume. Hier kann man entlangschlendern und tatsächlich so etwas wie Alltag beobachten; ganz normal aneinandergereihte Wohnhäuser, nichts besonderes, und doch wohltuend gegenüber dem, was uns die nächsten 20 Kilometer erwartet.

Touristenunterkünfte im Süden der Insel

So ziemlich jede Bucht, die nun kommt, ist vom Ufer bis hinauf in den Berg mit abstossenden Betonzellen zugebaut. Alles ist auf den üblichen Touristenrummel ausgerichtet. Ich mache nur einige wenige Fotos um diese Verunstaltungen festzuhalten. Und wundere mich, wieso sich Menschen zu Tausenden diese Käfinghaltung antun, dabei auch noch begeistert ein Foto nach dem andern machen, wo doch alles gleich aussieht. Am Schlimmsten ist Puerto Rico. - Puerto de Mogan Gibt es denn gar keinen Lichtblick in dieser Ödnis? Ja, es gibt ihn ein paar Kilometer weiter. Es ist sogar eine Perle, die ihren Charme noch weitgehend erhalten konnte.

Puerto de Mogan besteht aus einem Jachthafen mit einem angrenzenden Gaststätten- und Wohnviertel, sowie geschmackvollen Blumenbögen zwischen den Gassen. An zwei Stellen ist es von höchstens hundert Meter langen Kleinwasserwegen durchzogen. Diese sind umwölbt von geschwungenen Fussgängerbrücken. „Klein Venedig“ dazu zu sagen, wäre masslos übertrieben. Aber es ist durchaus pittoresk (und verkehrsberuhigt, aber spätabends wegen dem Trubel doch nicht leise). Gleich nebenan befindet sich eine Badebucht mit gelbem Sand und dahinterliegender Gaststättenmeile. Die Altstadt klebt am Hang, Treppensteigen ist obgligatorisch.

Die Einwohner in Puerto de Mogan beim KartenspielenZur Bucht hin öffnet sich das Tal mit den sich langsam doch abzeichnenden Bausünden. Es folgen noch halbwegs moderat angeordnete Appartementskästen, ein pompöses Luxushotel und als Schlusspunkt ein Einkaufszentrum mit dem Charme einer Grossgarage (aber mit einem hervorragenden indischen Restaurant!). Gegenüber am Hang, etwa 800 Meter von den Altstadt entfernt liegt das kleine Viertel Lomo Quiebre, wo man in einfachen Unterkünften für eine Übernachtung nur 20 Euro bezahlt. Am Hafen blechen die Begüterten das Drei- bis fünffache. Die Preise in den zahlreichen Restaurants sind sehr hoch. Ausnahmen muss man richtig suchen. Schliesslich legen hier die Begüterten mit ihren Luxusjachten an, dementsprechend ist das Publikum. Auf dem Dorfplatz unterhalb der Altstadt treffen sich wie zum Kontrast die ganz normalen Menschen, die hier auch noch leben. Nebenan gibs in einigen Fischrestaurants noch ab und zu einen nostalgischen Liederabend für angereiste Festlandspanier. Ja, die kommen auch hierher, weils so schön ist.

Hier lässt es sich leben

Großartig: Berglandschaft im Innern der Insel

Vom Hafen aus fahre ich nach Norden durch das Tal und erreiche nach etwa acht Kilometern die regionale Haupt-„stadt“ Mogan. San Bartolome de TiajanaEine Windmühle, üppige Vegetation, ein interessanter Dorfplatz mit Bauruine, Gaststätten für Durchreisende und eine langgezogene Siedlung prägen das Bild. Hinzu kommt ab jetzt ein faszinierendes Bergpanorama. Weiter geht es zum Dorf und Stausee mit dem Namen Soria. Die reichlich überdimensionierte Staumauer bändigt eine mickrige braune Pfütze. Aber die Bergwelt drum herum läd zum wandern ein und bietet sehr schöne Aussichten.

San Bartolome de Tiajana liegt etwa auf gleicher Höhe, aber gut eine Autostunde weiter. Dieser Ort bietet eine imposante Aussicht und ist ein gerngenutzter Ausgangspunkt für Bergwanderungen im Inselinneren. Allerdings hat in der Umgebung ein verheerender Waldbrand gewütet, sodass an einigen Berghängen die Landschaft immer noch etwas trist ausschaut. Normalerweise erholt sich die Vegetation recht schnell und auch die Bäume schlagen wieder aus – aber hier dauert es offensichtlich länger. Santa LuciaEin paar Kilometer weiter liegt etwas tiefer Santa Lucia, was mir sehr gut gefällt mit seinen fein hergerichteten Gassen, kleinen Gärtchen und Plätzen. Hier finden sich viele schöne Fotomotive.

Jetzt ist es aber Zeit für den im wahrsten Sinne des Wortes Höhepunkt der Reise. Das höchstgelegenste und schönste Dorf Gran Canaria heisst Tejeda und gehört wegen der grandiosen umliegenden Berglandschaft zum absoluten Pflichtprogramm! TejedaDie weissen Häuser sind aussergewöhnlich sorgfältig herausgeputzt. Das Dorf zieht sich terrassenförmig auf verschiedenen Höhenstufen hin. Auf der „Hauptstrasse“ Dr. Hernandez Guerra liegt die Pension und Gaststätte Pension Tejeda, wo man für gut 20 Euro ein Zimmer mit wunderschöner Aussicht mieten kann. Nachts ist es hier naturgemäss kälter. Wenn abends die Touristenströme sich wieder heimwärts bewegen, wird es einsam hier oben. Viele Gaststätten haben dann geschlossen.

Von Tejeda aus kann man hervorragend die abgelegene Bergwelt Gran Canarias erkunden. Vor allen Dingen natürlich das „Wahrzeichen“, den 1813 Meter hohen Roque Nublo, den Wolkenfels. Auf den verschiedenen Aussichtsplatformen und Picknikplätzen in schwindelerregender Höhe sieht man über den Wolken den majestätisch gelegenen Teide von der Nachbarinsel Teneriffa. Er ist etwa doppelt so hoch wie unser jetziger Standort und überragt alles. Hoffentlich ist die Sicht einigermassen klar, damit man das Erlebnis auf einem schönen Foto festhalten kann!

Das Bergland im Inneren von Gran Canaria, im Hintergrund der Teide auf Teneriffa

Trotz einiger schrecklicher Bausünden im Süden, diese Insel bietet dem Besucher sehr vielfältige Möglichkeiten, auf Entdeckungsreise zu gehen. Diese werden von der Mehrzahl der Touristen nicht umfassend genutzt. Aber vielleicht ist das auch gut so.

Horst Blume

 

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